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2000 Jahre Kölner Stadtgeschichte erleben: Das MiQua – Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln

Redaktion · 13.05.2025

Baustelle des MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln mit Blick auf den Kölner Dom und das historische Rathaus – Fortschritt der Bauarbeiten im Herzen der Kölner Altstadt. Foto: Matthias Meurer

Baustelle des MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln mit Blick auf den Kölner Dom und das historische Rathaus – Fortschritt der Bauarbeiten im Herzen der Kölner Altstadt. Foto: Matthias Meurer

Vor dem Historischen Rathaus entsteht über der Archäologischen Zone das „Museum im Quartier“ – kurz MiQua. KölnerLeben wirft einen Blick über den Bauzaun und entdeckt spannende Einblicke in Kölns jüdische Geschichte, Mittelalter und Stadtgeschichte.


Sie können den folgenden Beitrag auch als Podcast hören.

„Diese Mauern erzählen Stadtgeschichte – von der römischen Zeit über die Gotik bis in die Neuzeit hinein“, schwärmt Grabungsleiter Michael Wiehen. So treffen etwa im Keller des ehemaligen Hauses „Koppe“ vor dem Rathaus verschiedene Epochen aufeinander, überlagern sich in Schichten. Das alles soll eines Tages im „MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier“ verständlich aufbereitet zu sehen sein.

Hinter einer mittelalterlichen Backsteinwand entdeckte das Team das erhaltene Mauerwerk einer römischen Therme. Durch deren heute noch sichtbaren Schächte verteilte sich vor rund 1.800 Jahren die warme Luft einer sogenannten Hypokauste, einer Art römischer Fußbodenheizung. „Das Mauerwerk der Therme unterscheidet sich durch die regelmäßige Anordnung der römischen Ziegel deutlich vom mittelalterlichen Kellergewölbe“, erklärt Wiehen. Ebenso unterschiedlich wie die Bauweisen – so verdeutlichen die archäologischen Funde – ist auch die städtebauliche und architektonische Struktur der verschiedenen Quartiere: „Das mittelalterliche Judenviertel ist kleinteiliger, wuseliger als das römische Machtzentrum an der Stelle, wo heute das Historische Rathaus steht“, erklärt Wiehen.


Blick in die Ausgrabungsfläche der Archäologischen Zone. Foto: Matthias Meurer

Dass die Römer damals ihr Handwerk verstanden, macht auch der Bauleiter Matthias Zoppelt deutlich: „Ich habe große Hochachtung vor der Baukunst der Römerzeit“, sagt der Ingenieur. Dabei ist die Technik, mit der die archäologischen Funde heute gesichert, für die Nachwelt erhalten und für das neue Museum aufbereitet werden, nicht weniger spektakulär und ausgefeilt. „Wir nutzen auf dieser Baustelle fast alle Technologien, die man im Tiefbau und Spezialtiefbau nutzen kann“, sagt Zoppelt.

Über- und unterirdische Bauten

Der Bau nimmt Formen an – über der Erde, wo das große Stahlskelett die Umrisse des Museums erahnen lässt, und vor allem auch im noch weitaus größeren unterirdischen Teil. Es sieht freilich noch überall nach Arbeit aus. Der über 600 Meter lange, teils schon betonierte, teils noch unbefestigte Besucherrundgang führt durch ein Labyrinth aus alten Mauern. Er schlängelt sich durch die Kellergewölbe der Häuser des ehemaligen Juden- und des Goldschmiedeviertels. Vorbei am Judenspital, am Armenhaus, an einer der ältesten Synagogen diesseits der Alpen führt er weiter zum Kultbad Mikwe und durch den römischen Statthalterpalast, das Praetorium, das als Teil des Limes zum Unesco-Weltkulturerbe gehört.

In der unteren Ebene werden Exponate ausgestellt, die vor Ort gefunden wurden. In der Ebene 2 ist die Ausstellung zum jüdischen Leben in Köln. „Wie eine Kathedrale“ werde sich die Stahlkonstruktion über die Funde wölben. Auf einem „Balkon“ könnten sich die Interessierten zu Beginn des Rundgangs einen Überblick über große Teile der Ausgrabungen verschaffen und von den Kellern bis zum Rathausturm blicken, so der Archäologe. Denn die Stahlrauten der Hülle werden in der Erdgeschossebene mit Glas und Spolien, Fragmenten historischer Natursteine, geschlossen.

Archäologische Funde im ältesten Viertel Kölns

Manchmal liegen weltliche Größe und allzu menschliche Bedürfnisse nahe beieinander, so auch in diesem ältesten Viertel der Stadt: Mit einer Kelle so klein wie ein Tortenheber untersucht Archäologe Christoph Aronica, was in der mittelalterlichen Latrine des Hauses „Lyvermann“ die Zeit überdauert hat. Wahre Schätze hat das archäologische Team hier und an anderer Stelle schon geborgen – Geschirr aus der Römerzeit zum Beispiel, eine Schiefertafel mit hebräischer Inschrift und Kinderspielzeug, Würfel aus Tierknochen. Da die Latrinenkammer von Lyvermanns stillem Örtchen unterhalb des Synagogenhofs natürlich nicht auf dem kürzesten Weg – nämlich von oben – geleert werden durfte, hatte der Hausherr findig einen „Sonderweg“ entwickelt: Wenn es mal wieder an der Zeit war, wurde der Latrineninhalt durch einen Gang im Hauskeller entsorgt.

Über der Öffnung des Stollens hat das Grabungsteam eine hebräische Inschrift freigelegt, eine Art Gebrauchsanweisung, noch heute deutlich sichtbar. „Dies ist das Fenster, durch das die Exkremente ihren Weg nehmen“, steht dort in Stein gemeißelt. „Wenn das Museum eröffnet ist, werden die Leute vor dieser Inschrift stehen und Selfies machen“, prophezeit Wiehen. „Hier klebt überall Mittelalter an den Wänden – es ist da und man kann es lesen.“


Hebräische Inschrift aus dem Haus „Lyvermann“ zur Entsorgung des Latrineninhalts. Foto: Nabil Hanano


Einer der wertvollsten Funde: Ohrring aus dem 11. Jahrhundert unter Verwendung einer römischen Gemme. Foto: Stadt Köln


Neuzeitlicher Ofen „Königswinterer Bauart“. Foto: Stadt Köln / Thomas Banneyer

Bauplanung und Sicherheit

Außergewöhnliche Funde wie die Inschrift gehören zu den vielen Überraschungen bei den noch laufenden Grabungen. Sie machen immer wieder Umplanungen notwendig. So war ursprünglich direkt neben den hebräischen Lettern ein Fahrstuhlschacht vorgesehen, dessen Bau die Inschrift gefährdet hätte. Also wurde der Schacht um einige Meter versetzt und nicht vor Ort gegossen, sondern als Fertigteil angeliefert. Was in einem Satz erklärt ist, erforderte natürlich umfangreiche Abstimmungen zwischen allen Beteiligten und einen immensen Aufwand.

Apropos Aufwand: Jede Kellerwand wurde in einem speziellen Verfahren bis zu einer Gründungstiefe von 16 Metern unterfangen, um die Standsicherheit zu gewährleisten. Dabei waltete größte Vorsicht, oft wurden die Bohrer auf Schneckentempo verlangsamt, damit die Funde keinen Schaden nahmen. „Die Men- schen, die hier unten arbeiten, sind sensibilisiert und wissen um die Bedeutung der Mauern“, erklärt Wiehen. Alle gemeinsam versuchen sie, nicht nur das Mauerwerk zu erhalten, sondern auch die verschiedenen Erdschichten und -profile. Sie mussten gerade im jüdischen Viertel wegen der hier einst ausgeübten Handwerke wie dem des Goldschmieds erst von Schwermetallen wie Quecksilber, Arsen und Blei befreit werden.

Jeder Durchgang von Keller zu Keller ist individuell geplant, jede Mauer wird versiegelt und „bleibt allerdings sichtbar und auch mit allen Sinnen begreifbar“, wie Wiehen verspricht. „Wir konnten dieses Museum nur an diesem Ort bauen“, sagt der Grabungsleiter und fügt hinzu: „Das ist die spannendste und faszinierendste Baustelle, die es gibt. Das Projekt glänzt einfach. Es wird die Sicht auf die Stadtgeschichte verändern.“

Adressen, Öffnungszeiten

MiQua – das Museum
Die Eröffnung steht noch nicht fest. Zurzeit hofft man auf Ende 2027.

Weitere Informationen
www.museenkoeln.de/archaeologische-zone

MiQua:forum im Roten Haus
Es dient als „Schaufenster“ in das zukünftige Museum. Jeden Donnerstag ab 11 Uhr gibt es verschiedene Angebote, die in die Themen und die Forschungsarbeit des MiQua einführen. Eintritt frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Alter Markt 31, Tel. 0221 / 809-71 56
https://miqua.lvr.de

MiQua Blog online: https//:miqua.blog
Regelmäßige Baustellen-Updates sowie Beiträge über Kooperationen, die zeigen, womit sich das Team über die Arbeiten an der künftigen Dauerausstellung hinaus beschäftigt.

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Tags: Archäologie , Dauerausstellung , jüdisch , MiQua , Mittelalter , Museen , Stadtgeschichte

Kategorien: Kultur , Unser Köln