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Unser Köln

Für Blinde und Sehbehinderte: Nachrichten aus Köln zum Hören

Lars Germann · 15.04.2025

Das Team des ATZ produziert regelmäßig neue Beiträge zum Hören. Foto: © Lars Germann

Das Team des ATZ produziert regelmäßig neue Beiträge zum Hören. Foto: © Lars Germann

Geschichten und Nachrichten aus Köln zum Hören – die produziert die Redaktion Köln des atz Hörmedien e. V. seit nahezu fünfzig Jahren. Auch KölnerLeben ist seit 15 Jahren dabei.

„Isch kann dat nit!“, ruft Hildegard Wachten. Bis gerade hat sie den Begrüßungstext von Oberbürgermeisterin Henriette Reker im KölnerLeben-Magazin noch souverän vorgelesen, doch an einer Stelle bleibt sie immer wieder hängen. Ralf Sutorius macht ihr Mut: „Du schaffst das!“ Der Hobby-Tontechniker arbeitet schon seit rund 25 Jahren mit der Sprecherin zusammen und vertraut ihr voll und ganz. Ein paar Anläufe später hat Wachten die Hürde schließlich genommen. Der übrige Text geht ihr dann auch ganz locker über die Lippen.

Volker Schmitz dagegen hat die Ruhe weg. Er hat heute die Aufgabe, den Artikel über „Sexualität im Alter“ einzulesen. Völlig entspannt spricht er über Geschlechtsteile, körperliche Bedürfnisse und Versagensängste, Themen also, bei denen so manchem die Schamesröte ins Gesicht steigen würde. Aber der 63-Jährige ist mit allen Wassern gewaschen – nach Jahrzehnten vor und hinter der Kamera, als Moderator und Produzent beim Fernsehen, kann ihn anscheinend nichts mehr aus der Ruhe bringen.

Dritte Sprecherin ist Hanna Müller (26), die Jüngste im Ensemble. Zum Warmwerden liest sie erstmal die Kurzmeldungen. Am liebsten sind der Aufnahmeleiterin beim WDR aber „Umweltthemen und Geschichten aus dem Kölner Stadtleben“.

Großer Erfolg mit „fast aktuellem“ Wochenmagazin

Es ist kein professionelles Tonstudio, in dem die drei „Stimmen“ des KölnerLeben-Magazins sitzen. Ihr Arbeitsplatz befindet sich im Keller eines unscheinbaren Mehrfamilienhauses in der Niehler Hermesgasse, wo nur das Klingelschild auf ein Studio hinweist. Eine Glasscheibe trennt hier zwei winzige Räume: In einem sitzen die Sprecher eng gedrängt vor ihren Mikros, im anderen steuert Sutorius die Aufnahmen und gibt Regieanweisungen. Einrichtung und Equipment sind schlicht und in die Jahre gekommen, aber alles funktioniert.


Ralf Sutorius gibt Regieanweisungen, bearbeitet die Tonspuren und fügt die Aufnahmen zusammen. Foto: © Lars Germann

Die vier gehören zu den rund fünfzig Ehrenamtlichen, die sich in der Redaktion Köln des atz Hörmedien e. V. engagieren, um Hörformate für Blinde und Sehbehinderte zu produzieren – vielfach schon seit Jahrzehnten. Sutorius ist bereits seit Anfang der Achtzigerjahre dabei. Seit 1987 sorgt er am Mischpult für den guten Ton, wenn er nicht gerade seinem Beruf als IT-Leiter einer Bundesbehörde nachgeht.

Das wichtigste Format des Teams ist bereits seit der Gründung 1978 „Köln- Kompakt“, ihr „fast aktuelles Wochenmagazin“. Woche für Woche nehmen sie Artikel und Meldungen aus den Kölner Tageszeitungen auf und stellen sie ihren Hörern zur Verfügung. Früher auf Kassetten, später auf CDs und seit 2009 ausschließlich online zum Download. Nach und nach kamen weitere Formate hinzu: das Frauenmagazin „Rita“, das Magazin des „Pro Retina e. V.“ und eben seit rund 15 Jahren „KölnerLeben“.

Bundesverdienstkreuz und Ehrenamtspreis

Angefangen hatte alles 1977 mit einem Anruf des Sozialdezernenten und späteren Oberbürgermeisters Norbert Burger bei Werner Ollendorf. Letzterer war begeisterter „Tonbandamateur“, wie man das damals nannte. Also sozusagen ein Pionier dessen, was man heute unter „Podcast“ versteht. „Können Sie eine akustische Blindenzeitung machen?“, hatte Burger gefragt. Und Ollendorf konnte: Mit weiteren Ehrenamtlichen vertonte er Artikel aus der Kölner Lokalpresse und hob „Köln Kompakt“ aus der Taufe. Dafür erhielt er 1989 sogar das Bundesverdienstkreuz.

Später übernahm Ollendorfs Schwiegersohn Hans Tüllmann die Leitung des Studios. Er war es auch, der 2003 für „Köln Kompakt“ den ersten Ehrenamtspreis der Stadt Köln entgegennahm. Kurz davor hatte das Studio mit Unterstützung der Sparkasse KölnBonn auf digitale Technik umgestellt – die teilweise heute noch im Einsatz ist.

Dringend gesucht: neue Räumlichkeiten

Nächstes Jahr produziert die Redaktion die 2.500. Ausgabe des Wochenmagazins. Wo sie das tun wird, steht allerdings in den Sternen: Denn die GAG, die über vierzig Jahre die Räumlichkeiten in Niehl für kleines Geld zur Verfügung stellte, hat den Mietvertrag zum Juni 2025 gekündigt. Nun sucht die Redaktion händeringend nach einem neuen geeigneten Standort.

Fest steht, dass die Arbeit der Redaktion nicht nur von Blinden und Sehbehinderten gehört und geschätzt wird. Auch wer keine Zeit zum Lesen hat, greift gerne auf Hörformate zurück. Der Charme dieser Produktionen geht vom Ohr ins Herz, denn statt seelenlos von „Künstlichen Intelligenzen“ vorgelesen zu werden, haben diese Beiträge ein „echtes Alleinstellungsmerkmal“. Sutorius glaubt: „Die vertrauten Stimmen vermitteln auch ein Heimatgefühl.“

Informationen, Links und Gesuche

Redaktion Köln atz Hörmedien für Sehbehinderte und Blinde e. V.:

Gesucht: ehrenamtliche Sprecher und Tontechniker (w/m/d). Außerdem ist der Verein auf der Suche nach neuen, möglichst günstigen Räumlichkeiten für sein Studio, es sollten mindestens 20 Quadratmeter in ruhiger Lage sein.

Spendenkonto:
atz Hörmedien für Sehbehinderte und Blinde e. V.
Stichwort: Redaktion Köln
Bank für Sozialwirtschaft Hannover IBAN: DE61 3702 0500 0007 4659 00

Reinhören:

Wissenswert:

  • In Köln gab es 2023 insgesamt 1.883 blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen.

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Tags: Blindenzeitung , Ehrenamt , Hörmedien , Lokalnachrichten , Podcast

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