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Leben in Köln

Kölner Köpfe - Dr. Renate Maria Hirth

Lydia Schneider-Benjamin · 09.12.2020

Foto: privat

Foto: privat

Die Ärztin hat ihre Theaterleidenschaft auf neue Art entdeckt: Die 79-Jährige steht selber auf der Bühne. Lesen Sie mehr im Interview.

Frau Hirth, wie kam es, dass Sie Medizin studierten? Das ist für Frauen in den 60er Jahren doch ungewöhnlich.

Ich stamme aus einer Lehrerfamilie, wollte aber selbst keine Lehrerin werden. 1960 begann ich ein Medizinstudium in Köln. Ich wohnte noch bei meiner Familie in Opladen. Es ist richtig, von einigen Professoren wurden Studentinnen nicht so wertgeschätzt. Aber wir wenigen freundeten uns an.

Haben Sie dann Ihren Beruf ausgeübt?

Ja, erst einmal als Dauervertretung bei einem Hausarzt, später dann in eigener Praxis im Haus meiner Schwiegereltern in der Südstadt. So konnte ich Beruf und Familie – mein Mann und ich hatten zwei Kinder – gut verbinden. Nach 25 Jahren ging ich in den Ruhestand und unternahm mit meinem Mann noch viele schöne Reisen. Leider verstarb er 2014.

Das führte Sie zu Ihrem ehrenamtlichen Engagement?

Es gibt einen direkten Zusammenhang: Mein Mann wurde als einer der Ersten im neuen Kolumbarium in der Grabeskirche in Ehrenfeld beigesetzt. Seither bin ich dort ehrenamtlich regelmäßig vor Ort als Ansprechpartnerin für Angehörige und Interessierte. Ich war auch Lesementorin an einer Schule. Besondere Freude hat mir die Deutschnachhilfe mit einer geflüchteten Syrerin gemacht. Sie hatte traumatische Erfahrungen bei der Flucht erlitten, das weckte bei mir Erinnerungen an die Vertreibung aus unserer schlesischen Heimat im Riesengebirge.

Die konnten Sie gut bei Ihrem Theaterengagement einsetzen?

Allerdings, in unserem Stück „Lebenslied“ stelle ich gemeinsam mit Dieter Scholz, dem Gründer des „Altentheaters“, den Tag unserer Vertreibung dar – so wie wir ihn als Kinder erlebt haben. Bei jeder Aufführung werden meine Erinnerungen wach. So mussten wir uns alle auf dem Dorfplatz versammeln. Ein Soldat ging mit einem Topf herum und sammelte die Haustürschlüssel ein. Ich höre noch das Klacken beim Hineinwerfen. Dies und weitere Stücke unter professioneller Anleitung zu erproben und auf die Bühne zu bringen, ist eine sehr bereichernde Erfahrung.

Fehlt Ihnen das Theater jetzt, unter Corona, sehr?

Natürlich vermisse ich das sehr, aber unsere Regisseurin Ingrid Berzau und Stimmbildnerin Sabine Falterer arbeiten mit uns, wenn möglich, in Kleingruppen Projekte. Im Lockdown des Frühjahrs motivierte uns Frau Berzau aus der Ferne, unsere Gedanken in dieser Zeit niederzuschreiben.

Das Gespräch führte Lydia Schneider-Benjamin.

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Tags: Altentheater , Interview

Kategorien: Leben in Köln