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125 Jahre Bahnhofsmission: Die Engel von Gleis 1
Karin Bünnagel, Erstpubl. 2018 · 19.09.2024
Begleitung: Das Abholen von mobil eingeschränkten Menschen vom Zug gehört dazu. Foto: Werner Krüper
2024 feiert die Bahnhofsmission Köln ihr 125-jähriges Bestehen. KölnerLeben gratuliert herzlich zum Jubiläum!
Seit ihrer Gründung im Jahr 1899 bietet die Bahnhofsmission Schutz, Unterstützung und ein offenes Ohr für Menschen in Notlagen – direkt im Herzen von Köln am Hauptbahnhof.
Die Arbeit der Bahnhofsmission hat sich im Laufe der Jahre stetig weiterentwickelt. Sie ist heute wichtiger denn je: Wohnungsnot, Flucht, Mobilität und Einsamkeit zählen zu den größten Herausforderungen. Ein engagiertes Team von rund 70 Ehrenamtlichen, Freiwilligen und Hauptamtlichen hilft täglich direkt an Gleis 1 und im Hauptbahnhof.
Als ökumenisches Gemeinschaftsprojekt, getragen von IN VIA Köln und dem Diakonischen Werk Köln und Region, ist die Bahnhofsmission ein unverzichtbarer Rettungsanker für viele Menschen.
KölnerLeben war 2018 am Gleis 1, um den Mitarbeitenden bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen. Erfahren Sie mehr über die interessante Entstehungsgeschichte und lesen Sie über bewegende Momente zwischen Engeln und Reisenden.
Die Engel von Gleis 1
Hans-Joachim Mittler erinnert sich noch gut an die Reisegruppe, die er vom Gleis zum Schiffsanlegeplatz gebracht hat. Als die Senioren in der Nähe der Bastei ankamen, wartete dort kein Kreuzfahrtschiff auf sie. „Ich habe gleich mit dem Veranstalter telefoniert. Der Platz war auf dem Ticket falsch eingetragen. Die Urlauber mussten nach Deutz“, erzählt er. „Auf dem Weg zurück zum Bahnhof habe ich sicherlich noch hundert anderen Passagieren, die herumirrten und verzweifelt Ausschau nach dem gleichen Schiff hielten, gesagt, wo sie hinmüssen.“
Seit drei Jahren engagiert sich Mittler ehrenamtlich für die Kölner Bahnhofsmission. Menschen zu helfen ist dem 60-Jährigen ein persönliches Anliegen – egal, ob sie ein Schiff suchen oder in einer persönlichen Lebenskrise feststecken.
Die Geschichte der Bahnhofsmission reicht zurück in die Zeit der Industrialisierung, als viele junge Frauen vom Land in die Städte flüchteten, um dort Arbeit zu finden. In Köln waren es katholische Frauen aus höheren Schichten, die sich um die Neuankömmlinge kümmerten: Sie gaben ihnen Schutz und vermittelten sie an seriöse Arbeitgeber. Dabei nutzten die Frauen des Bürgertums ihr öffentliches und kirchliches Netzwerk. Denn oft genug gerieten damals junge Frauen an unseriöse Vermittler mit zweifelhaften Absichten. Heute wird die Bahnhofsmission gemeinsam vom Diakonischen Werk und dem katholischen Träger „In Via“ betrieben und ist inzwischen eine von hundert bundesweit.
Manchmal braucht man einfach Hilfe
Mittler und seine Kollegen helfen Menschen mit Geh- oder Sehbehinderungen auf ihren Reisen, allein reisenden Kindern und älteren Menschen, die von der Menschenmasse und der Hektik im Bahnhof verunsichert sind. Oder wenn jemandem das Portemonnaie samt Bahnticket gestohlen wurde.
Die Hilfe ist allerdings nicht auf das Thema Bahnhof und Reisen beschränkt. Sie geht weit darüber hinaus: Die Bahnhofsmission hilft kranken Menschen, Menschen in der Not, in einer Krisensituation sowie Menschen ohne Obdach. „Es gibt bestimmte Pflichtschulungen, an denen unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter teilnehmen müssen“, berichtet Corinna Rindle, Leiterin der Bahnhofsmission Köln, „um ausreichendes Handwerkszeug für diese Hilfe zu haben“.
Die Kölner Bahnhofsmission hat sogar Stammkunden: zum Beispiel die blinde Dame, die vom Bus zur Blindenschule begleitet wird. „Im letzten Jahr haben wir bundesweit allein 20.000 Menschen beim Reisen geholfen“, sagt Rindle. Die meisten Mitarbeiter der Bahnhofsmissionen sind ehrenamtlich tätig, pro Schicht sind in Köln drei bis fünf Mitarbeiter eingeteilt. Entweder halten sie sich in der Bahnhofsmission auf Gleis 1 auf oder sie sind im Bahnhof und auf den Bahnsteigen unterwegs – immer zu erkennen an der blauen Weste oder Jacke. Wer Reisehilfe in Anspruch nehmen möchte, sollte sich einen Tag oder besser drei Tage vorher bei der Bahnhofsmission melden, um den Reiseverlauf zu planen.
Lotsen im Hilfesystem
„Wir sind Lotsen – im Hilfesystem der Stadt Köln und im Bahnhof“, beschreibt Rindle die wesentliche Aufgabe der Bahnhofsmission. Und betont auch: „Wir sind kein Gepäckservice, das übernimmt ein Partnerunternehmen der Deutschen Bahn!“ Die Leiterin hat gerade mit ihrem Team einen neuen Service gestartet, der sich noch in der Testphase befindet: „Wir möchten Senioren helfen, sich besser auf dem Kölner Bahnhof orientieren zu können“, beschreibt sie das Projekt.
Beim ersten Testlauf kamen vor allem die Informationen zum Fundbüro sowie praktische Reisetipps gut an. So wusste niemand aus der Gruppe, dass am Haupteingang, gleich neben dem Blumenladen, dort, wo sich der Gepäckservice befindet, auch das Fundbüro ist. Dankbar nahmen die „Tester“ auch den Tipp an, mit dem Taxi am besten den Nebeneingang auf der Domseite zu nutzen, da es dort weniger Gedränge gibt und man ganz nah an Gleis 1E ist.
Bahnhofsmission Köln
Hauptbahnhof Gleis 1E
Tel. 0221 / 13 95-438
koeln@bahnhofsmission.de
Geöffnet: täglich 7–19 Uhr.
Außerhalb der Öffnungszeiten hilft der Mobilitätsservice der Deutschen Bahn: Tel. 01805 / 512 512 (gebührenpflichtig)
Gleis 1 ist über Treppe und Aufzug erreichbar.
Tags: Bahnhofsmission , Ehrenamt , Jubiläum
Kategorien: Aktiv werden , Soziales , Ehrenamt , Vereine / Organisationen