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Gesund leben

Schlafstörungen – hilft Schäfchenzählen?

Tim Farin · 15.02.2021

Illustrationen: Sushi / stock.adobe.com

Illustrationen: Sushi / stock.adobe.com

Gibt es Hausmittel? Hilft Alkohol? Lesen Sie die besten Tipps gegen Schlaflosigkeit.

Ulrich Neumann (Name geändert), 79, hat seit vielen Jahren Schlafprobleme. Für den Kölner Senior endet die Nacht mal um halb fünf, mal um drei. Am Stück schläft er meist nur wenige Stunden. „Wenn man alt wird, gehört das dazu“, meint der gebürtige Norddeutsche, der seinen Haushalt alleine schmeißt und die Nachbarschaft mit Gartentipps und Backwaren versorgt.

REM-Phasen

Für den Menschen ist der Schlaf überlebenswichtig. Hier erholt sich der Körper, das Immunsystem ballt seine Kräfte, Erlebnisse werden verarbeitet. Auch wenn Menschen sehr unterschiedliche Schlafbedürfnisse haben, so gibt es doch Gemeinsamkeiten. Wer gesund schläft, durchlebt nachts mehrere Leicht- und Tiefschlafphasen sowie die sogenannten REM-Phasen, bei denen das Gehirn auf Hochtouren arbeitet.

Sechs, sieben Stunden solcher Phasen gelten gemeinhin als gesunder Nachtschlaf, wobei die Leichtschlafphasen bei älteren Menschen zunehmen. Gesteuert werden diese Prozesse von Hormonen, die dem Körper wichtige Signale senden: So gilt Melatonin als Einschlaf- bzw. Dunkelhormon, Prolaktin tritt während der Schlafphasen erhöht auf, Cortisol und Serotonin dagegen steigen gegen Morgen an und„wecken“ Leib und Seele.

Bei dauerhaft schlechtem Schlaf zum Arzt

Doch die Sache mit dem Schlaf ist häufig alles andere als einfach: Tatsächlich haben sehr viele Menschen in Deutschland Schlafschwierigkeiten. Laut Umfragen kennt etwa ein Viertel der Bevölkerung, das wären 22 Millionen, solche Beschwerden – die mit dem Alter immer häufiger auftreten.

Dr. Michael Feld, Schlafmedizinerin Frechen und Buchautor zum Thema, weiß: „Der Nachtschlaf wird mit zunehmendem Alter störanfälliger. Das ist wie bei allen anderen organischen Funktionen.“ Und ältere Menschen benötigen nicht so viel Schlaf wie Kinder oder Jugendliche, weil die nächtlichen Ruhephasen fürs Immunsystem, fürs Lernen und die Gehirnentwicklung nicht mehr so wichtig sind. Doch bedeute dies nicht, sagt Dr. Feld, dass schlechter oder zu kurzer Schlaf als normal hingenommen werden sollte. Im Gegenteil: Es besteht Handlungsbedarf.

Ulrich Neumann hat sich wegen seiner Schlafprobleme irgendwann doch Sorgen gemacht und mit seinem Arzt darüber gesprochen. Zuletzt schlief er kaum einmal mehr als vier Stunden pro Nacht. Zuwenig, fand er, obwohl er „viel abkönne“.

Wichtig für Gesundheit und Konzentration

Wenn Schlafmediziner Feld von solchen Fällen hört, besteht für ihn kein Zweifel: „So wenig Schlaf ist auf Dauer ungesund. Wer dauerhaft weniger als sechs Stunden pro Tag schläft, begibt sich in gesundheitliche Gefahr.“ Nicht nur die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit und vor allem die Konzentration lassen tagsüber schnell nach – eine der Ursachen für Unfälle in Haushalt und Verkehr. Vielmehr läuft man eher Gefahr, Bluthochdruck, koronare Herzerkrankungen, Magen-Darm-Störungen oder gar eine  Depression zu entwickeln.

Allerdings weist Dr. Feld auf die Möglichkeit hin, fehlenden Nachtschlaf durch kurze Nickerchen am Tag aufzuholen. Grundsätzlich gilt, auch schon bei Jüngeren, ein nur ein paar Minuten kurzer „Power-Nap“, also ein Energie-Schlummer, als gesunde Möglichkeit, tagsüber Kraft zu tanken. Wobei dieser Schlaf tatsächlich kurz ausfallen und nicht mehr in den Nachmittagsstunden eingelegt werden sollte, denn sonst drohen wiederum Probleme beim Einschlafen am Abend. Auch Ulrich Neumann gönnt sich kurze Nickerchen, sammelt ein- bis zweimal am Tag Kraft, mal auf dem Bett, mal im Wohnzimmersessel.

Schlafprobleme werden oft psychologisiert

Für Dr. Feld ist die Altersschlafmedizin ein spannendes Gebiet, weil es hier so viele individuelle Faktoren gebe, die sehr unterschiedlich zusammenspielen. Er warnt vor Verallgemeinerungen. So gibt es Menschen, die – wie Ulrich Neumann – über Jahre tatsächliche Schlafdefizite haben.

Andere Betroffene dagegen sind fest davon überzeugt, dass sie die ganze Nacht kein Auge zugemacht hätten, und doch lasse sich bei ihnen im Labor ein ausreichender Leichtschlaf messen. Trotzdem solle jeder, der unter Schlaflosigkeit leide und keine Erholung finde, sich helfen lassen.

Folgende Faustregel hilft, gelegentliche schlechte Nächte von behandlungswürdigen Zuständen zu unterscheiden: „drei mal drei mal drei“. Wer über drei Wochen an mindestens drei Tagen mehr als drei Stunden pro Nacht wachliegt, sollte sich einen Termin beim Arzt geben lassen.

Körperliche Ursachen

Denn wer rumgrübelt und darauf hofft, dass bald alles von allein besser wird, verpasst eine wichtige Chance: „Oft liegen Schlafstörungen körperliche Probleme zugrunde. Leider wird Schlaf aber psychologisiert. Das hält viele davon ab, die echten Ursachen zu finden“, erklärt Feld. Verbreitet sei es, nervliche Belastungen, Stress und psychische Probleme als Ursachen zu benennen. Doch es gibt handfeste körperliche Gebrechen, die den Schlaf beeinflussen: das nächtliche Schnarchen mit Atemaussetzern, Defizite an der Schilddrüse, Eisenmangel oder Nierenschwäche.

„Ich würde immer zunächst nach den körperlichen Aspekten schauen, bevor ich psychische Ursachen in den Blick nehme“, erläutert Feld. „Es ist wie bei einem Haus: Wird es instabil, sollten die Statiker beim Keller und dem Fundament ansetzen. Körperfunktionen sind die Basis für den gesunden Nachtschlaf.“

Wie man doch in den Schlaf findet

Ist eine Erkrankung jedoch ausgeschlossen, kann man viel für gesunden Schlaf tun. Vor dem Zubettgehen sollte man sich einen Ruhepuffer schaffen – nichts Aufregendes mehr erleben, keine spannenden Krimis schauen oder sich mit Dingen beschäftigen, die Stress im Körper verursachen.

Grundsätzlich raten Mediziner davon ab, vor dem Zubettgehen auf Bildschirme und Smartphones zu starren, weil deren blaue Lichtwellen die Schlafhormonbildung schwächen. Das gilt allerdings mehr für jüngere Menschen, bei Älteren schwächt sich dieser Effekt wegen ihrer schlechteren Augenlinsen ab.

Genuss in Maßen

Außerdem sollte man einige Stunden vor dem Einschlafen nichts Schweres mehr essen. Alkohol wiederum sei ein zweischneidiges Schwert, erklärt Feld. Ein Bier könne beim Einschlafen helfen. Wer allerdings mehr trinkt, beschäftigt Leber und Niere mit dem Alkoholabbau – und das verschlechtert die Schlafqualität.

Für die geruhsame Nacht gibt es zudem eine ganze Reihe von Hausmitteln und Produkten, die auch in der Werbung angepriesen werden. Viele Betroffene versuchen es beispielsweise mit Schlaftees aus dem Supermarkt. Warum nicht, sagt der Experte aus Frechen, es gebe durchaus gute Ergebnissemit natürlichen Stoffen.

Hausmittel und Kräuter

„Hausmittel haben ihre Berechtigung und sind oft wirksam. Hier kann man ausprobieren, ob sie helfen“, sagt Feld und nennt fünf empfehlenswerte Kräuter: Baldrian, Passionsblume, Lavendel, Melisse und Hopfen, die erst über einen längeren Zeitraum genommen wirken. Ältere Menschen haben oft Defizite an der Zirbeldrüse im Gehirn, so dass zu wenig Melatonin ausgeschüttet wird.

Produkte, die das Schlafhormon enthalten, sind rezeptfrei erhältlich. Auch hiermit gebe es gute Ergebnisse, sagt Feld. Noch wissenschaftlich ungeklärt ist die Wirkung von CBD-Tropfen, derenW irkstoff Cannabidiol aus der Hanfpflanze gewonnen wird. Neuester Trend: sogenannte Therapiedecken, die durch ihr Gewicht Geborgenheit schaffen und so Schlaf fördern sollen.

 

 

Wundermittel Langeweile

Es gibt aber noch ein besonders wirksames Mittel: Eintönigkeit, Monotonie. Nicht umsonst lautet Omas Rat an die Kleinsten, die nicht schlafen können (oder wollen): „Schäfchen zählen.“ Doch das will gelernt sein. Monotonie zuzulassen ist auch eine Frage der Übung. Trainieren lässt sich das etwa mit Entspannungstechniken, beispielsweise der Progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson.

Es gibt auch technische Hilfsmittel, und Schlafmediziner Feld findet sie wertvoll: Podcasts mit Einschlafmeditationen, Beruhigungs-Apps und andere Anwendungen für das Smartphone. Auch leise, ruhige Musik helfe. Man müsse sie einfach ausprobieren, sagt der Arzt.

 

Die richtigen Medikamente

Doch wer gefangen ist im Kreislauf der Schlaflosigkeit, wer nachts nicht mehr zur Ruhe kommt und darunter leidet, braucht medizinische Hilfe. „Es gibt gute Behandlungsergebnisse mit Medikamenten. Aber in der Bevölkerung halten sich Vorurteile dagegen“, erkennt Mediziner Feld.

Klar ist: Pharmakologische Schlafmittel sollte niemand im Alleingang verwenden, sondern immer nur in enger Abstimmung mit einem Arzt. Denn je nach Mittel kann es nicht nur verschiedene Nebenwirkungen, sondern auch ein Suchtrisiko geben. Es geht also darum, die richtigen Wirkstoffe zu finden. Denn so unterschiedlich wie die Menschen sind auch ihr Gefühl für gesunden Schlaf und die Wege, um ihn im Alter aufrechtzuerhalten.

 

Tipps für den gesunden Schlaf

> Ein regelmäßiger Rhythmus hilft: ungefähr zu denselben Zeiten aufstehen und zu Bett gehen.
> Elektrogeräte wie Fernseher, Computer und Handy möglichst schon eine Stunde vor dem Zubettgehen ausschalten.
> Das Bett sollte in einer reizarmen Umgebung stehen, wo wenig leuchtet, blinkt oder Geräusche macht.
> Ein kühler Kopf und warme Füße gelten als Einschlafhilfe. Fenster öffnen und Wärmflasche an die Füße!
> Auf eine gute Matratze achten, die zu den eigenen Bedürfnissen passt.
> Ohrstöpsel helfen bei störenden Geräuschen. Schnarchender Partner? Vielleicht in getrennten Zimmern schlafen.
> Wer sich tagsüber regelmäßig an der frischen Luft bewegt, schläft besser. Aber: Sport kurz vor dem Zubettgehen heizt den Kreislauf an. Stattdessen lieber nur einen kleinen Spaziergang unternehmen.
> Oder vor dem Schlafengehen noch einmal kräftig lüften. Die ideale Schlaftemperatur liegt übrigens zwischen 14 und 18 Grad.
> Fettes Essen und Süßigkeiten sollte man vor dem Einschlafen meiden. Diese Nahrungsmittel beschäftigen die Verdauungsorgane und beeinträchtigen die Erholung. Ein leichtes Abendessen möglichst früh am Abend einnehmen.
>  Abwägen beim Alkohol: Grundsätzlich beeinträchtigt Alkohol die körperliche Erholung. Allerdings kann ein Glas Wein oder Bier beim Entspannen und damit beim Einschlafen helfen. Hier sollte man die Dosis allerdings nicht erhöhen.
>  Einschlafrituale einführen: Abendspaziergang, Tasse Tee, Lesen oder Tagebuch schreiben … aber regelmäßig.
> Ein Bad mit beruhigenden Zusätzen wie Melisse oder Lavendel entspannt.
> Wer sich nachts stundenlang wälzt, sollte aufstehen und einer leichten Tätigkeit nachgehen, etwa das Geschirr spülen oder Wäsche falten, und sich später nochmal hinlegen.
> Wenn man das Gefühl hat, verschriebene Medikamente beeinträchtigen den Schlaf, sollte man dazu seinen Arzt befragen. Oft gibt es Alternativpräparate oder die Tageszeit der Einnahme kann geändert werden.

Fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse nach Broschüren zum Thema oder schauen Sie auf deren Webseite. Dort finden Sie oft auch Buchempfehlungen.

Die Stiftung Warentest hat 90 Medikamente gegen Schlafstörungen getestet, dazu gibt es umfangreiche Informationen: www.test.de, Suchwort „Schlafstörungen“.

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): eine 14-seitige Broschüre zum Herunterladen: www.gesundheitsinformation.de

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Tags: Gesund im Alter , Schlafen

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