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Ratgeber

Umgestalten, um zu bleiben - barrierefrei wohnen

David Korsten · 28.06.2022

Justine und Siegbert Borchert. Foto: Ben Horn

Justine und Siegbert Borchert. Foto: Ben Horn

So lange, wie es geht, in den eigenen vier Wänden bleiben – schon kleine bauliche Veränderungen schaffen altersgerechten Wohnkomfort. Lesen Sie, welche Anschaffungen sinnvoll sind und wer das zahlt.

„Immer die Beine über den Badewannenrand heben beim Ein- und Aussteigen, das war wirklich umständlich“, erzählt Justine Borchert. Die 65-Jährige aus Raderthal nutzt zum Gehen einen Rollator und benötigt auch Hilfe bei der Körperpflege. Ihr Mann Siegbert, 78 Jahre, könne die nicht leisten, „er ist ja auch nicht mehr so beweglich“, sagt sie. Stattdessen helfe die Schwiegertochter. „Aber das mit der Badewanne ging trotz des Lifters einfach nicht mehr, auch wegen meines Übergewichts.“

Badezimmer-Umbau?

Trotzdem wollten die Borcherts gerne in ihrer Wohnung bleiben. „Wir wohnen seit 15 Jahren hier, es ist schön ruhig, auch einen Behindertenparkplatz haben wir gleich vor der Tür“, sagt Justine Borchert. Aber die Wohnung im zweiten Stock war einfach nicht mehr passend.

Da wandte sich das Ehepaar an „wohn mobil“. Die Beratungsstelle ist ein Kooperationsprojekt der Stadt Köln, der PariSozial gGmbH, der Landesverbände der Pflegekasse und der GAG Immobilien AG.„wohn mobil“ unterstützt Menschen wie die Borcherts dabei, Wohnungen so anzupassen, dass sie so lange wie möglich darin bleiben können – vor allem dann, wenn sie auf Pflege angewiesen sind. Aber nicht nur, man kann Maßnahmen auch vorher angehen und von dem größeren Komfort profitieren, den eine altersgerechte Wohnung bietet. So erhalten Ratsuchende kostenfreie Hilfe bei der Planung, bei Genehmigungsanfragen und Anträgen zur Finanzierung.


Statt Badewanne: Die Dusche ist ebenerdig und für helfende Hände gut erreichbar. Die Tür kann in dieser Position auch ganz geschlossen werden. Foto: Ben Horn


Die Tür kann in dieser Position auch ganz geschlossen werden. Wird die Tür zur Seite geschwenkt, wird das Bad noch geräumiger. Foto: Ben Horn

Mit geringem Aufwand Komfort schaffen

Von den Neuanfragen zur Wohnraumanpassung kann die Beratungsstelle rund 400 im Jahr bearbeiten. Deren Leiterin Erika Küllchen bringt es auf den Punkt: „Das Bad ist in 80 bis 90 Prozent der Fälle das größte Problemfeld.“ Jedoch: Es muss nicht gleich der Umbau des gesamten Badezimmers sein. Denn schon mit vergleichsweise geringem Aufwand und zu überschaubaren Kosten lässt sich schnell mehr Komfort erreichen.

Mehr Sicherheit im Bad bieten beispielsweise Haltegriffe in Dusche, Wanne oder neben der Toilette –vorausgesetzt, sie sind fachmännisch und stabil angebracht. Auch Toilettensitzerhöhungen können das Hinsetzen und Aufstehen deutlich erleichtern. Hilfreich sind auch Wasserhähne, bei denen das Wasser ohne Berührung fließt und automatisch wieder stoppt. Denn manch Älterer hat Probleme, schwergängige Griffe zu drehen. Als nützlich empfinden viele Senioren auch Armaturen mit Handbrause, mit denen sie sich die Haare am Waschbecken waschen können, ohne sich so tief bücken zu müssen. Bei Waschbecken ohne Unterschrank kann man sich dafür auch bequem hinsetzen.


Vorher (Bild links): eine Stolperfalle. Der Zugang zum Balkon ist zudem unbequem. Foto: online-wohn-beratung.de

 


Nachher: Die bodengleiche Schwelle erleichtert den Weg auf den Balkon und ist auch mit Rollator einfach zu meistern. Foto: online-wohn-beratung.de

Mehr Komfort für den Alltag

In der Küche erleichtern herausziehbare Schubkästen statt tiefer Schränke den Alltag. In ihnen lassen sich Vorräte, Töpfe und Reinigungsmittel übersichtlich verstauen und einfach erreichen. Der Backofen lässt sich möglicherweise erhöhen, Oberschränke können tiefer gehängt werden, sodass Tassen, Teller, Gläser und anderes in Greifhöhe zur Hand sind. Und warum nicht leichte oder wenig benötigte Teile nach oben räumen, die schwereren aus Keramik und Edelstahl in mittlere Höhe? Um Stolperfallen zu reduzieren, sollten Schwellen innerhalb der Wohnung ausgeglichen werden, besonders am Zugang zu Balkon oder Terrasse.

Erika Küllchen hat noch einen anderen Tipp: „Immer mehr geraten auch technische Hilfsmittel in den Blick.“ Das Thema „Smart Home“, also das intelligent vernetzte Zuhause, biete vielfältige Möglichkeiten, das Leben in der eigenen Wohnung zu vereinfachen – etwa indem sich Fenster und Heizung automatisch per Smartphone oder Sprachsteuerung bedienen lassen.

Erst mit dem Vermieter sprechen

Grundsätzlich dürfen Mieter Veränderungen, die nicht in die Bausubstanz eingreifen und sich wieder entfernen lassen, vornehmen oder veranlassen, ohne den Vermieter zu fragen. Bei allen Umbauten muss der Eigentümer zustimmen.

„Das Gespräch mit dem Vermieter im Vorfeld ist sehr wichtig“, erläutert Erika Küllchen, die Ratsuchende auch dabei begleitet. Sie weiß: „Inzwischen sind die Eigentümer grundsätzlich sehr offen dafür, Wohnungen altersgerecht zu gestalten. Denn dies steigert in einer alternden Gesellschaft deren Attraktivität und damit auch ihren Wert.“ Schließlich komme der zusätzliche Komfort nicht nur der älteren, sondern allen Generationen zugute.
Wichtig sei es, schriftlich festzuhalten, welche Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Mündliche Vereinbarungen reichten nicht aus. Und Mieter sollten den Vermieter davon überzeugen, sie von der Rückbaupflicht zu entbinden.


Beidseitig angebrachte Handläufe erleichtern das Treppensteigen und geben Sicherheit. Foto: Flexo Handlaufsysteme GmbH

Kosten unbedingt vorher klären

Aber wer trägt die Kosten? Kleinere Maßnahmen wird in der Regel der Mieter selbst bezahlen. Bei größeren Veränderungen gewährt insbesondere die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Zuschüsse für den Abbau von Barrieren und für mehr Wohnkomfort in Höhe von zehn Prozent der förderfähigen Investitionskosten – bis zu 6.250 Euro, und zwar unabhängig vom Alter. Auch zinsvergünstigte Darlehen bietet die KfW dafür an. Diese Unterstützungen sollten allerdings unbedingt vor Beginn der Arbeiten beantragt werden, erste Ansprechpartnerin ist in der Regel die Hausbank. Liegt ein Pflegegrad vor, unterstützt die Pflegekasse mit bis zu 4.000 Euro.

Mitunter sind auch Wohnungseigentümer bereit, einen Teil der Kosten zu übernehmen. Aber Achtung: Vermieter können auf Grund solcher Modernisierungen prinzipiell auch die Miete erhöhen. Auch darüber sollte man vorher sprechen. Bei Justine und Siegbert Borchert ließ sich das Bad im zweiten Stock allerdings nicht umbauen. „Zum Glück wurde im selben Haus eine passende Wohnung im Erdgeschoss frei“, sagt Justine Borchert. Auch dabei hat „wohn mobil“ geholfen, Unterstützung beim Wohnungswechsel ist ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der Beratungsstelle.

Zeit einplanen

„Die neue, bodengleiche Dusche erleichtert die Hygiene ungemein, alles geht viel schneller und einfacher“, sagt die 65-Jährige, „und auch der Umbau selbst ging ratzfatz – eine gute Woche hat das nur gedauert. “Von der Idee bis zur Ausführung sollte man allerdings ausreichend Zeit einplanen. Erika Küllchen rechnet im Normalfall vom ersten Ortsbesuch bis zum Abschluss der Arbeiten mit etwa drei bis vier Monaten, je nach Umfang der Arbeiten auch mit mehr Zeit.
Die Nachfrage sei groß, die Interessentenliste lang, sagt sie.
„Umso wichtiger ist es, dass die Stadt Köln uns seit Anfang dieses Jahres zwei weitere Vollzeitstellen finanziert. So können wir die Ratsuchenden noch besser unterstützen.“

Mehr Informationen über altersgerechtes und barrierefreies Wohnen

wohn mobil – Beratungsstelle für Wohnraumanpassung und Wohnungswechsel
Mauritiussteinweg 36a (Innenhof)
Tel. 0221 / 560 34-0
E-Mail: wohn-mobil-koeln@parisozial-koeln.de
Mehr Informationen zu wohn mobil finden Sie auf der Webseite des Parisozial.

Auch die Webseite online-wohn-beratung.de bietet viele weitere Informationen.

Neues Wohnen im Alter e. V.“ unterstützt und verbindet Menschen über 65 Jahre, die in Gemeinschaft aller Generationen leben wollen. Tel. 0221 / 21 50 86
E-Mail: kontakt@nwia-ev.de
Hier gelangen Sie zur Webseite des NWIA

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Tags: altersgerecht wohnen , Barrierefreiheit

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