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Leben in Köln

Wohngemeinschaft - eine Alternative fürs Alter?!

dk · 16.07.2019

Christian BechmannChristian Bechmann möchte gerne wieder in eine WG ziehen. Foto: Thilo Schmülgen

„Man kann doch über alles reden“

Christian Bechmann, 67, ist ein richtiger WG-Experte. Die meiste Zeit seines Lebens hat er so gelebt, mit 19 zog er in seine erste WG in Bonn. „Das war damals eine richtige WG-Stadt“, erzählt Bechmann und schwärmt von den vielen schönen Altbauten, die im Krieg unversehrt geblieben waren. Oft habe es einen Garten oder eine große Terrasse gegeben, und viele Wohnungen hätten eine große Küche gehabt. „Dort haben sich immer alle getroffen und über politische Themen diskutiert“, sagt er mit Blick auf die bewegten 70er Jahre. „Das ging schon mal recht hitzig zu.“

Überhaupt habe er viele schöne Erinnerungen an die WG-Zeiten. „Wir haben immer viel gemeinsam unternommen, auch außerhalb der WG.“ Doch das eigene Zimmer sei immer ein wichtiger Rückzugsort gewesen – „die Türschwelle war eine rote Linie“, sagt er halb im Scherz, halb im Ernst. Seine letzte WG in Nippes habe sich vor zwei Jahren aufgelöst, aktuell suche er wieder. Dass er in der Kölner Innenstadt eine WG finde, das glaube er nicht, allein schon wegen der hohen Mieten. „Aber in den Randbezirken mit guter Verkehrsanbindung müsste es eigentlich funktionieren“, gibt sich Bechmann zuversichtlich.

Die Mitbewohner zu pflegen oder selbst von ihnen gepflegt zu werden, kann Christian Bechmann sich nicht vorstellen. Aber darüber macht er sich nicht allzu große Gedanken: „Passieren kann schließlich immer was, und wer maximale Planungssicherheit will, der ist wahrscheinlich falsch für eine WG.“ Er suche zwar keine „spießige Wohngemeinschaft“, doch eine gewisse Rücksichtnahme müsse schon sein. „Junge Typen, die die ganze Nacht laute Techno-Musik hören, und ich, das würde einfach nicht passen.“ Tolerant und locker müsste es für ihn zugehen, aber da sehe er keine Probleme: „Man kann doch über alles reden.“

Mit Abenteuerlust raus aus der Komfortzone

Im Austausch bleiben und die Neugier auf andere Menschen nicht verlieren – das finden auch die Bewohner der Senioren-WG auf dem Clouth-Gelände wichtig. Schließlich haben sie sich auch erst im Bauprozess kennengelernt. „Ich kann gut verstehen, dass es wie eine große Hürde wirkt, sich auf eine neue Gemeinschaft einzulassen“, sagt Angelika Pohlert. Wichtig sei vor allem eine positive Grundhaltung, rät sie allen, die sich eine WG fürs Alter vorstellen können: „Wer mit hängenden Mundwinkeln durchs Leben geht und überall Probleme sieht, wird auch eher Konflikte bekommen.“

Auch eine gewisse Altersgelassenheit helfe, meint Peter Heinzke. „Man kann sich aber nicht drauf verlassen, dass sie auch kommt“, sagt Pohlert und alle lachen. „Entspannt schauen, was sich entwickelt“, das findet Heinzke eine gute Einstellung fürs WG-Leben. Wer nicht zu gemeinsamen Festen oder zum Frühstück am Sonntag komme, werde nicht schief angeguckt.

Drei Personen in einer Wohnküche
Peter Heinzke, Shahla Feyzi und Angelika Pohlert in ihrer Wohnküche. Foto: David Korsten

Ob sie denn auch über den Fall nachgedacht hätten, dass einer von ihnen pflegebedürftig wird? „Ja, so was sollte man unbedingt vorher besprechen“, sagen sie. Dann sei klar, dass sie auf professionelle Angebote zurückgreifen. Selbst pflegen ist nicht der Plan. „Das würde uns sicher überfordern“, sagt Heinzke und ergänzt: „Wenn jemand vorübergehend krank oder nicht mobil ist, dann kann die WG durchaus eine Pufferzone sein.“ Kleine Hilfen wie Einkäufe übernimmt dann einer der Mitbewohner, das sei selbstverständlich. „Als ich letztens erkältet war, haben mir meine Mitbewohner eine Tasse Tee ans Bett gebracht“, sagt Shahla Feyzi. „Das war so schön!“

Es sei durchaus ein Wagnis gewesen, die „Komfortzone“ zu verlassen, meint Angelika Pohlert. Abenteuerlust gehöre dazu, zumal man Vieles selbst in die Hand nehmen müsse. Schließlich gebe es in Köln kaum städtische Strukturen für solche WG-Bauprojekte. In Hamburg oder Berlin sei das einfacher. Ein gutes Durchhaltevermögen sei daher vonnöten, denn nach dem anfänglichen Glücksgefühl komme man als Bauherren mit vielen, teils auch komplizierten rechtlichen Fragen in Berührung. Dennoch lohne es sich sehr, sich mit anderen zusammenzutun und auf den Weg zu machen. „Ich glaube auch, dass gerade eine gute Stimmung für solche Projekte herrscht“, sagt Angelika Pohlert. Das merke sie auch an der Reaktion von Bekannten, wenn sie von ihrer WG erzählt und die erste Skepsis nachlässt. „Dann sagen viele: So was wollen wir auch!“

Mietverträge für Wohngemeinschaften

Vor Gründung einer Wohngemeinschaft sollten sich alle künftigen WG-Mitglieder vor Abschluss eines Mietvertrages über die rechtlichen Konsequenzen, Rechte und Pflichten informieren:

Unterschreibt nur ein Mitglied der Wohngemeinschaft den Mietvertrag, ist nur dieses Mitglied für die Mietzahlung verantwortlich. Nur er kann das Mietverhältnis auch kündigen. Die anderen WG-Mitglieder sind im Status eines Untermieters.

Unterschreiben alle Mitglieder den Vertrag, sind alle gegenüber dem Vermieter zur Zahlung verpflichtet. Sie können auch nur gemeinsam das Mietverhältnis kündigen. Weigert sich ein Mitglied, müssen die übrigen notfalls dessen Kündigungserklärung einklagen. Eine einseitige Kündigung nur eines WG-Mitgliedes ist ausnahmsweise nur dann wirksam, wenn alle übrigen Mitmieter und der Vermieter zustimmen.

Ein problemloser Austausch von WG-Mitgliedern ist möglich, wenn im Mietvertrag festgehalten ist, dass an eine Wohngemeinschaft vermietet wurde. Dann können die verbleibenden Mitglieder vom Vermieter verlangen, dass sie neue Mitglieder in ihre Wohngemeinschaft aufnehmen können. Der Wechsel von Mitgliedern einer Wohngemeinschaft sollte dabei immer dem Vermieter mitgeteilt werden.

Sinnvoll ist es auf jeden Fall, sich vor Abschluss eines Mietvertrages beim örtlichen Mieterverein beraten zu lassen.

Quelle: Deutscher Mieterbund

Informationen

Angebote und Gesuche auf:
www.pluswgs.de
www.senioren-wg-finden.de
oder in der „Stadtrevue“.

6. Wohnprojektetag am Samstag, 9. März 11–17 Uhr,
Forum Volkshochschule, Cäcilienstr. 29–33,
Info: 0221 / 221-2 59 90

Tags: Wohnen

Kategorien: Leben in Köln , Ratgeber