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Gestochene Gefühle

phh · 18.04.2019

Frau sitzt an ihrem Schreibtisch, ihr Arm ist tätowiert
Das erste Tattoo trägt Roswitha Nuber, 61, an einer unauffälligen Stelle. Beim zweiten war sie mutiger. Foto: René Denzer

Das gilt für Roswitha Nuber wohl nur bedingt. Sie spricht offen über den Tod ihres Mannes. Er starb im Alter von sechzig Jahren. Für ihre Tochter steht schnell fest, dass sie sich eine Erinnerung an ihn stechen lässt. „In mir kam sofort der brennende Wunsch hoch: Das will ich auch“, sagt Nuber. Über das Motiv entscheiden sie gemeinsam: der Name ihres Mannes, eine Pulslinie und ein Herz. Der Tätowierer macht kurzfristig einen Termin für Mutter und Tochter frei. Nach gut 30 Minuten ist das Werk vollbracht. Nuber lässt sich nach kurzer Zeit ein zweites Motiv stechen: aufsteigende Vögel. Ob ihrem Mann die Tätowierungen an ihr gefallen hätten? „Ich weiß es nicht“, sagt sie.

Da kommt garantiert noch was

Mann mit nacktem Oberkörper und seiner kleinen Hündin
Hündin Tinkerbell stand Modell für das jüngste Tattoo von Jürgen Oelschlägel. Foto: René Denzer

Viele Tattoo-Träger vergleichen die Beschäftigung mit Motiv, passender Stelle, Bedeutung und Farben mit Sucht. Selten bleibt es bei einem Tattoo. Bei Martina und Jürgen Oelschlägel könnte man fast von einem Familienhobby sprechen. Beide sind reich verziert. Sie zählt zwölf Tattoos. Ihr Mann ließ sich vor drei Jahren den Kopf von Hündin Tinkerbell auf die linke Brust tätowieren. Es ist nach dem Pferd aus dem Logo eines italienischen Sportwagenherstellers und einem Notenschlüssel das dritte Tattoo für den ehemaligen Berufssoldaten und heutigen leitenden Angestellten eines Logistik- Konzerns. Vor zwölf Jahren hat ihn das Fieber der Hautbilder gepackt. „Da kommt garantiert noch was“, sagt er. Die Begeisterung teilen sie mit ihrer 25-jährigen Tochter. „Sie hat den Arm fast voll“, sagt Martina Oelschlägel.

Das Hobby ist durchaus kostspielig, werden doch schnell mehrere hundert Euro für eine mehrstündige Sitzung beim Tätowierer fällig. Wie lange sie ihrer Leidenschaft noch frönen, wissen sie nicht. „Ich versuche im Hier und Jetzt zu leben“, sagt Jürgen Oelschlägel. Vielleicht, bis die Gesundheit nicht mehr mitspiele oder das Körpergefühl nicht mehr passe. Seine Frau kann sich vorstellen, mit achtzig noch ein Motiv auf ihren Körper zu platzieren: „Auch wenn die Haut dann nicht mehr so schön ist. Das wäre mir egal.“ Eine Erinnerung an den jeweils anderen unter der Haut fänden beide gut. „Vielleicht eine Liedzeile, die er besonders mag“, sagt sie spontan.

Tattoos: zu Risiken und Nebenwirkungen

Der Beruf des Tätowierers ist nicht geschützt. Ausüben darf ihn in Deutschland jeder, der einen Gewerbeschein hat. Beim Tätowieren werden Farbpigmente in die Lederhaut, also unter die oberste Hautschicht, eingebracht. Dadurch entsteht eine Wunde. Der Arbeitsplatz muss deshalb hygienisch sauber, die Arbeitsgeräte steril sein. Bei der Auswahl des Studios sollte man darauf achten, aber auch darauf, ob die Mitarbeiter gründlich über Risiken und Nachbehandlung aufklären.

Auch die Farbe selbst darf nicht verunreinigt sein. Die erlaubten Inhaltsstoffe sind in einer Verordnung des Bundes vorgegeben. Schwermetalle und andere Stoffe etwa sind verboten, weil sie zum Teil krebserregend sind. Sie wurden aber dennoch in verwendeten Farben nachgewiesen. Aber auch manche erlaubte Stoffe lagern sich nachweislich etwa in Lymphknoten ab und stehen zum Teil im Verdacht, krebserregend zu wirken. Die meisten Stoffe und ihre Abbauprodukte sind kaum auf ihre Gefährlichkeit hin untersucht.

Gleiches gilt für Spaltprodukte, die beim Entfernen einer Tätowierung mittels Laserstrahl entstehen und im Körper verbleiben. Eine Liste mit unbedenklichen Stoffen gibt es nicht, ebenso wenig müssen die Farben amtlich zugelassen werden. Mehr Informationen sind auf der Seite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zu finden: www.safer-tattoo.de

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