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Nachhaltige Energieversorgung mit Biogas

David Korsten · 28.09.2023

Manuel Hartenberger im unterirdischen Teil der Anlage, wo es von Rohren nur so wimmelt. Foto: Martina Dammrat

Manuel Hartenberger im unterirdischen Teil der Anlage, wo es von Rohren nur so wimmelt. Foto: Martina Dammrat

Wie kann in Köln umweltfreundlich Gas produziert werden? Eine Antwort findet man im Großklärwerk Köln-Stammheim. Dort erzeugt eine Co-Fermentationsanlage nachhaltiges Biogas.

Ein weißes Tankfahrzeug fährt auf das Betriebsgelände des Großklärwerks Stammheim und hält vor einer der Anlagen. Der Fahrer steigt aus und schließt einen Schlauch, etwa so dick wie der Arm eines kräftigen Mannes, an das Fahrzeug an. Es brummt. Jetzt saugt eine Pumpe den Inhalt über den Schlauch in die sogenannte Co-Fermentationsanlage des Großklärwerks. Was hat es damit auf sich?

In Köln betreiben die Stadtentwässerungsbetriebe (StEB Köln) fünf Klärwerke, in Langel, Rodenkirchen, Weiden, Wahn und in Stammheim. Letztgenannte ist nicht nur die mit Abstand größte Anlage in Köln, sondern zählt auch zu den größten in Nordrhein-Westfalen. Deren Aufgabe ist klar: Sie reinigen das Abwasser aus unseren heimischen Toiletten sowie aus Industrie- und Gewerbeanlagen.

So reinigen Klärwerke das Abwasser

Kläranlagen reinigen das Abwasser in mehreren Schritten: Zuerst werden bei der mechanischen Reinigung größere Gegenstände, das sogenannte Rechengut, und Sand entfernt. In der biologischen Stufe bauen Bakterien und andere Mikroorganismen Nährstoffe aus dem Abwasser ab, Klärschlamm entsteht. Die dritte Reinigungsstufe besteht aus Filteranlagen, die noch kleinere Verschmutzungen aus dem Abwasser entfernen.

In Köln wird das geklärte Wasser danach in den Rhein geleitet. Rund 55.000 Tonnen Klärschlamm fallen in Stammheim pro Jahr an. Schlamm mit viel Energie Aus schmutzigem Wasser sauberes zu machen, ist sehr aufwendig. Jonas Bachnick, Sachgebietsleiter Betriebsentwicklung im Großklärwerk Stammheim, erklärt: „Die Kläranlage verbraucht 30 Gigawattstunden Energie im Jahr. Sie ist damit einer der größten kommunalen Verbraucher.“

Das ist viel Energie, um das Wasser zu reinigen. Bachnick ergänzt: „Aber inzwischen können wir die Mengen an Strom und Wärme, die wir verbrauchen, übers Jahr hinweg größtenteils selbst erzeugen.“ Dafür ist der Klärschlamm, der vor allem aus Fetten und Bakterien besteht, ein wichtiger Faktor.

„Aber inzwischen können wir die Mengen an Strom und Wärme, die wir verbrauchen, übers Jahr hinweg größtenteils selbst erzeugen.

Jonas Bachnick, Sachgebietsleiter Betriebsentwicklung im Großklärwerk Stammheim

Was unappetitlich klingt, ist für die StEB Köln sehr wertvoll: Denn Fett enthält viel Energie. Diese kann man in Gas umwandeln. Das geschieht in Stammheim in den rund dreißig Meter hohen, eiförmigen Faultürmen. Dorthin wird der Schlamm geleitet und vergärt. Dabei entsteht Faulgas, eine Mischung aus Methan und Kohlendioxid (CO2). Dieses fließt wieder in den Prozess zurück: Es wird im Blockheizkraftwerk zur Stromgewinnung eingesetzt.

Außerdem gewinnt das Unternehmen Strom aus Photovoltaikanlagen. Aber das deckt nur einen Bruchteil der Energie für alle Reinigungsschritte.

Mehr Energie – aus Lebensmittelresten

Seit 2015 erzeugt eine weitere Methode Energie: die Co-Fermentation. Die Anlage wurde im Oktober 2022 erweitert. Begleitet und weiterentwickelt wird das Projekt von Manuel Hartenberger, Entsorgungsingenieur und Projektleiter bei den StEB Köln. Er sagt: „Die Tankfahrzeuge liefern sogenannte Co-Substrate an, zum Beispiel Abfälle aus Großküchen oder aus der Lebensmittelindustrie, also sehr fettreiche Substanzen mit gutem Energiegehalt.“


Der Lebensmittelbrei wird in Tankwagen angeliefert und in die Anlage gepumpt.

Knapp 22.000 Tonnen dieses Materials hat die Anlage allein im Jahr 2022 verarbeitet. Jährlich werden so im Durchschnitt 3,9 Gigawattstunden (GWh) Gesamtenergie an Strom und Wärme erzeugt, davon 1,5 GWh Strom. Das entspricht dem Energieverbrauch von rund 300 Haushalten. „Normalerweise sind es etwas weniger, 2022 war ein Rekordjahr“, räumt Hartenberger ein. „Wir wollen die Menge aber immer weiter steigern, rund acht Gigawattstunden elektrische Energie sind perspektivisch möglich.“

Die Ausbeute steigern können Hartenberger und die StEB-Mitarbeiter mit der Erweiterung, aber vor allem, indem sie noch gehaltvolleres Material der sogenannten Kategorie 3 erhalten. Dazu zählen Speisereste aus Supermärkten. Das Problem: In abgelaufener Tiefkühlpizza und anderen verpackten Lebensmitteln steckt oft Mikroplastik. Und dieses ist potenziell schädlich für den Menschen und die Umwelt.

Deshalb müssen die Anlagen sie entfernen, bevor auch diese Stoffe in der Co-Fermentationsanlage zu Gas umgewandelt werden dürfen. Ganz so weit ist man in Köln noch nicht: Um das Mikroplastik zu entfernen, muss die sogenannte Prozesswasserbehandlung zunächst mit „Tuchfiltern“ nachgerüstet werden. Die Bauarbeiten laufen bereits.

Überschüssiges Erdgas ins Netz einspeisen

Überhaupt ist für die Zukunft Großes geplant. Die Co-Fermentationsanlage erzeugt aktuell fünf Prozent der Energie, die das Großklärwerk verbraucht. „Das klingt nicht nach viel, aber die Anlage ist ein wichtiger Baustein im Gesamtkonzept“, erklärt Jonas Bachnick. Denn man hofft, bald schon Überschüsse zu erzeugen.


In den Faultürmen werden die Schlämme aus der Co-Fermentation und der Kläranlage zu Faulgas. Foto: David Korsten

„Faulgas, das wir hier am Standort nicht mehr benötigen, bereiten wir künftig in unserer Biogasaufbereitungsanlage auf“, erklärt Bachnik weiter. „Dazu entfernen wir das CO2 aus dem Faulgas, damit bringen wir das Klärgas auf Erdgasqualität.“ Nach dieser „Gaswäsche“ soll das Gas ins Erdgasnetz eingespeist und andere StEB-Standorte beliefert werden, später womöglich auch andere kommunale Standorte – das Gasnetz besteht ja bereits.

Eine Einschränkung gibt es aber: Die Biogasaufbereitungsanlage ist noch im Bau. Wann sie fertig wird? „Die Fertigstellung wird bis Ende des Jahres erwartet“, sagt Bachnik dazu.

Biogas auch aus Klärschlamm

Gerade fährt ein weiterer Tankwagen zur Anlage, diesmal das gelbe Fahrzeug eines anderen Zulieferers. Das Prozedere ist dasselbe: den Schlauch der Co-Fermentationsanlage an den Wagen anschließen und das Material abpumpen. Jetzt allerdings weht der Wind auch einen deutlichen Abwassergeruch herüber. Doch Manuel Hartenberger beruhigt: „Das kommt nicht aus dem Wagen, sondern aus den Klärbecken nebenan.“


In den Pufferspeichern für Co-Substrate werden die angelieferten Lebensmittelreste bewegt, erwärmt und von Bakterien zersetzt. Foto: David Korsten

Er weiß: „Gegen die Co-Substrate ist normales Abwasser das reinste Parfum.“ Die Gerüche in den Griff zu bekommen, sei deshalb bei Planung und Bau eine der größten Herausforderungen gewesen, erklärt er. „Wir haben Abzugsvorrichtungen nachgerüstet und die Abluftreinigung an vielen Stellen verbessert.“

Die Anlage hat einen weiteren positiven Effekt, indem sie bestimmte Abfälle als Ressource nutzt. „Mit ihr schließen wir im Großraum Köln eine Lücke und bieten die Entsorgung der Co-Substrate ortsnah an“, erklärt Hartenberger. So sparten sich Entsorgungsbetriebe Fahrten zu weiter entfernten Anlagen. Das wiederum reduziere Treibhausgasemissionen und sei auch wirtschaftlich sinnvoll. Standard ist das Verfahren noch nicht – und auch nicht überall sinnvoll. Im Großraum Köln mit seinen vielen Zuliefern trägt die Co-Fermentation aber jetzt schon dazu bei, die Energiewende zu schaffen.

Großklärwerk Stammheim
Egonstr. 21
Weitere Informationen zum Großklärwerk finden Sie unter folgender Internetadresse:
https://steb-koeln.de/abwasser-und-entwaesserung/Abwasser-und-Entwässerung.jsp

Hier finden Sie Informationen zu aktuellen Abwassergebühren und Spartipps wie beispielsweise die Nutzung von Regenwasser.

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Tags: Nachhaltige Energie , Stadtentwässerungsbetriebe Stadt Köln

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