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Ratgeber

Rad-Komfortkur

Anja Jansen-KölnerLeben Ausgabe 2/17 · 25.03.2024

Wer gerne zu zweit unterwegs ist, nimmt das Tandem – so bleibt niemand auf der Strecke, wenn Radfahren nicht mehr so leicht fällt. Foto:fotolia.com

Wer gerne zu zweit unterwegs ist, nimmt das Tandem – so bleibt niemand auf der Strecke, wenn Radfahren nicht mehr so leicht fällt. Foto:fotolia.com

Ob eine Radtour durch die Frühlingssonne oder eine kurze Fahrt zum Supermarkt: Nur wenn das eigene Rad wie angegossen passt, macht das Fahren Spaß. Oft reichen ein paar technische Kniffe, damit alles wie geschmiert läuft.

„Dreimal bin ich mit meinem alten Fahrrad schwer gestürzt“, erzählt Klaus Fischer, 76 Jahre, aus Köln. Der ehemalige Kapitän der Handelsmarine hat Gleichgewichtsstörungen, doch an den Nagel hängen wollte er das Radfahren deshalb nicht. Also suchte Fischer einen Kölner Fahrradfachhändler auf und ließ sich beraten. Er entschied sich für ein kippstabiles Dreirad und bewahrt sich damit ein großes Stück Aktivität in seinem Leben.

Der Fachhändler hat alles auf Fischers Ansprüche hin angepasst: Ein gefederter Sattel schont den Rücken, eine Anpassung der Zahnkränze erhöht die Trittgeschwindigkeit, ein Elektromotor erleichtert ihm das Treten in die Pedale. Bei einer Breite von 90 Zentimetern wird es mit dem Dreirad manchmal eng auf dem Radweg. Fischer hat sich schlau gemacht und erfahren, dass er in diesem Fall auf die Fahrbahn ausweichen darf. Damit die Autofahrer ihn besser wahrnehmen, lässt er sich einen Blinker nachrüsten.

Dreirad
Klaus Fischer ist auf drei Räder umgestiegen, um ein Mehr an Sicherheit und Komfort zu genießen. Das hat er nie bereut. Foto: privat

„Die Artenvielfalt an Rädern war noch nie so hoch wie heute“, sagt Gunnar Fehlau, Radexperte beim Pressedienst Fahrrad. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass unter den Tausenden von Rädern das Richtige für einen dabei ist.“ Es gibt ständig Innovationen und technische Kniffe, die das Radfahren komfortabler gestalten – auch für Menschen mit körperlichen Einschränkungen und Behinderungen.

Passt mein altes Rad noch?

„Das Rad ist wie ein Stützstrumpf, eine Krücke oder eine Bandage“, erklärt Fehlau. „Es stützt und hilft, wo es nötig ist, ohne auszubremsen.“ Wenn im Alter also körperliche Einschränkungen hinzukommen, dann lautet die Frage nicht: Bin ich noch fürs Rad geeignet? Sondern vielmehr: Passt mein Rad noch zu mir? Das Fahrrad muss sich an die Bedürfnisse des Einzelnen anpassen. Für ältere Menschen stehen in der Regel Komfort und Sicherheit im Mittelpunkt, weniger Tempo oder Sportlichkeit.

Wer beispielsweise vor zwanzig Jahren noch mit dem tiefen, geraden Lenker glücklich war, dem bereitet heute die sportliche Haltung womöglich Schmerzen im Rücken. Um wieder beschwerdefrei zu fahren, muss nicht immer das neue, hochpreisige Rad her. Manchmal erleichtert auch eine einfache Nachrüstung am alten Modell die Fahrt. Gegen Rückenbeschwerden kann schon eine aufrechtere Haltung durch einen anderen Lenker und einen höheren Vorbau helfen. Nicht nur eine Veränderung in der Höhe, auch ein geringerer Abstand zwischen Lenker und Sattel lässt die Fahrt unter Umständen wieder zum Genuss werden. Man kann übrigens selbst überprüfen, ob die Sattelhöhe stimmt: Auf dem Sattel sitzend, wird die Ferse auf das Pedal gestellt, das am tiefsten Punkt steht. Die Höhe ist richtig eingestellt, wenn das Kniegelenk durchgedrückt ist.

Schont Gelenke: Federung

Um das Rad komfortabel und gelenkschonend zu besteigen, ist ein tiefer Einstieg eine große Hilfe. Spätestens bei Hüftbeschwerden erleichtert er das Aufsteigen aufs Rad enorm. Eine Federung des Sattels mildert außerdem Stöße, die durch Bordsteinkanten oder Straßenlöcher verursacht werden. Gepflasterte Wege und Schienen sind weitere Stolperfallen für Radfahrer. Mit breiten Reifen lassen sich diese Hindernisse sicherer nehmen. Mit dem richtigen Luftdruck haben sie sogar einen Federungseffekt und rollen besser. Abzulesen ist der Luftdruck auf der Seitenwand des Reifens. Der Von-bis-Wert ist in bar oder PSI angegeben (1 bar gleich 14,5 PSI). Abhängig ist er zudem von der Bauart des Fahrrads und dem Körpergewicht des Radelnden. Regelmäßig kräftig aufpumpen und mit dem Daumen fühlen, ob sich die Reifendecke hart gespannt anfühlt, ist die beste Methode.

Gelenkschonendes Fahren bedeutet im Übrigen auch schaltfreudig fahren. Denn zu schwere Gänge setzen den Kniegelenken zu. Nabenschaltungen haben bis zu 14 Gänge und lassen sich mit nur einem Schalthebel und auch im Stand an der Ampel komfortabler bedienen als die Kettenschaltung. „Außerdem verhindert man so zu langsames Treten“, weiß Stephan Behrendt vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club e. V. (ADFC). Denn wer mit zu niedrigem Tempo und geringer Tretfrequenz fährt, verliert mit dem Rad schneller das Gleichgewicht.

Für alle, denen der Schulterblick im Straßenverkehr schwerfällt, schafft ein Rückspiegel am Lenker Abhilfe. „Rückspiegel, Klingel und reflektierendes Material erhöhen die subjektive Sicherheit“, bestätigt der Experte Gunnar Fehlau. „Und wer sich sicher fühlt und ergonomisch gut sitzt, kann sich besser auf den Verkehr konzentrieren.

Mehr Sicherheit durch kleine Änderungen

“Sicherer fühlen sich viele ältere Radfahrer, wenn sie auf dem Sattel sitzend mit beiden Füßen den Boden erreichen. Wegen ihres stark nach hinten geneigten Sattelrohrs klappt das bei Holland-Rädern. Bei allen anderen Radtypen ist es allerdings kaum möglich, mit den Füßen auf den Boden zu gelangen, ohne aus dem Sattel zu gehen oder das Fahrrad seitlich zu kippen. Eine Zwischenlösung bietet die automatische Sattelstütze: Per Knopfdruck lässt sich der Sattel vom Lenker aus während der Fahrt höher oder niedriger fahren – eine Erfindung, die vor allem im Radsport genutzt wird. Mehr Komfortbieten außerdem große Pedale, da sie dem Fuß viel Halt geben. Das Angebot an Pedalen ist vielfältig: Fußschalen mit Fixiermöglichkeiten kommen beispielsweise häufig bei Liegedreirädern zum Einsatz. Dreiräder mit zwei Hinterrädern oder zwei Vorderrädern sind für Menschen mit Gleichgewichtsstörungen oder Behinderungen eine sichere Lösung. Zwei Hinterräder bieten fahrtechnische Vorteile, mit zwei Vorderrädern lässt sich die Breite einer schmalen Durchfahrt besser einschätzen.

Die Modelle haben allerdings ihren Preis: Motorisierte Versionen beginnen bei 3.000 Euro. Stützräder für Erwachsene, sogenannte Therapiestützen, sind keine preiswerte Alternative. Sie sind nur für therapeutische Zwecke gedacht und nicht für den Alltag. Stephan Behrendt vom ADFC erklärt den Grund: „Wer zu schnell in die Kurve fährt, kippt schnell um. Auf unebenem Boden verliert das angetriebene Hinterrad den Kontakt zur Fahrbahn. Daher sind Stützräder nicht für die Straße geeignet.“ Wer Tempo möchte, jedoch Probleme mit Kraft und Ausdauer hat, wird mit dem motorisierten Rad glücklich. Ein E-Bike fährt auch, ohne dass man tritt. Der Elektroantrieb von Pedelecs dagegen springt nur an, wenn der Fahrer auch in die Pedale tritt. „Das Fahren mit dem Pedelec sollte man üben“, rät Behrendt. „Vor allem für diejenigen, die länger nicht Rad gefahren sind, ist die höhere Geschwindigkeit ungewohnt.“ Spätestens jetzt sollte jeder Helmmuffel an seine Sicherheit denken. Pedelecs sind schwer, sie lassen sich nicht ohne Weiteres die Kellertreppe hinuntertragen oder auf den Dachgepäckträger stemmen. Dann lohnt es sich, über ein sogenanntes Kompaktrad mit oder ohne Motor nachzudenken. Diese 20-Zoll-Räder sind klein, leicht, handlich und fahren sich kaum anders als herkömmliche Modelle.

Gute Beratung beim Fahrradkauf
Wichtig beim Fahrradkauf ist eine gute Beratung. Foto: privat

Tandems: für ambitionierte Radfahrer

Ein ganz besonderes Fahrgefühl bieten Tandems. Die Räder eignen sich für Paare mit einem fitten und einem eingeschränkten Partner. Ob Sehbehinderung, Gleichgewichtsstörung oder fehlende Muskelkraft – man fährt hinten und bleibt nicht auf der Strecke. Tandems erfordern etwas Übung und es sind vor allem die ambitionierten Radfahrer, die diese Räder für Touren nutzen.

Ob entspannte Radausflüge im Grünen oder Alltagsfahrten mitten durch den Straßenverkehr – eine gute Sicht und Sichtbarkeit sind das A und O. Die Beleuchtungstechnik für Räder hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert: Nabendynamo, starke LED-Frontscheinwerfer mit Tagfahrlicht sowie Standlicht vorne und hinten gehören mittlerweile zum Standard. Und auch sonst entwickeln Hersteller ständig neue „Alltagshelfer“, die für mehr Bequemlichkeit rund ums Rad sorgen. Es gibt Klappsysteme für Lenker, multifunktionale Befestigungssets für Gepäckträger, Lastenanhänger, Packtaschen und sogar Gehstockhalter.

Drückt in Sachen Rad der Schuh, lohnt sich immer das Gespräch mit einem Experten. Und eine ausführliche Probefahrt zeigt, ob es wirklich „passt“.

Auch Klaus Fischer ist mit seinem Dreirad sehr zufrieden: „Ich mache Ausflüge mit meiner Frau und erledige die Einkäufe mit dem Rad.“ Und nicht ohne Stolz ergänzt er: „In eineinhalb Jahren bin ich 3.000 Kilometer gefahren.“

Tags: Mobilität , Sicherheit , Sport

Kategorien: Ratgeber