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Gesund leben

Leben mit Multipler Sklerose

Karin Bünnagel-KölnerLeben Ausgabe 5/2016 · 29.03.2017

Foto: Fotolia, Robert Kneschke

Foto: Fotolia, Robert Kneschke

Multiple Sklerose ist eine unberechenbare Krankheit. Betroffene leben damit jahrelang – sie können Halt in einer Selbsthilfegruppe finden.

Im Alltag braucht Monika Eßer einen Rollstuhl. Damit fällt sie auf, ist anders als andere. „Nichts Besonderes“ ist die Frürentnerin dagegen in ihrer Selbsthilfegruppe in Sülz. Deren Mitglieder leiden an Multipler Sklerose, kurz MS genannt. Diese Erkrankung hat nichts – wie viele immer noch irrtümlich meinen – mit Muskelschwund zu tun. MS ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems und hat viele Gesichter. Während manche Betroffene nur leichte Beschwerden haben, bekommen andere immer wieder schwere Schübe und bauen nach und nach körperlich ab.

Die Gruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat im Tersteegenhaus der evangelischen Kirche in der Emmastraße. Dieses Mal sind sechs der acht Mitglieder da. Monika Eßer ist eine der beiden Leiterinnen. Sie bekam ihre MS-Diagnose vor fast 25 Jahren und hat längst gelernt, mit ihrer Krankheit zu leben: „Die Frage ‚Warum gerade ich?‘ stelle ich mir nicht mehr.“ Stattdessen versucht die zweifache Großmutter das Positive zu sehen. Das, wozu sie noch körperlich in der Lage ist: „Ich sitze zwar im Rollstuhl, aber ich kann noch – fast – alles machen. Sogar noch ein paar Schritte gehen“, betont sie.

Alle seit vielen Jahren erkrankt

Die jüngste Betroffene in der Selbsthilfegruppe ist 47 Jahre alt, der Älteste 60. Alle sind schon seit vielen Jahren krank und haben ähnliche Probleme. Christiane Saenger macht sich inzwischen viele Gedanken ums Wohnen. Die 51-Jährige hält Ausschau nach einer neuen Wohnung. „Nach einer mit einem behindertengerechten Badezimmer. Wo die Türen breit genug sind, damit ein Rollstuhl hindurch passt.“ Das plant sie schon mal vorsorglich: Für den Fall, dass sie bald nicht mehr aufstehen kann und den Rollstuhl immer braucht. Noch kann sie aufstehen und zwei, drei Schritte gehen.

Eine barrierefreie Wohnung zu einem bezahlbaren Preis zu finden, wird nicht einfach sein – das wissen alle in der vertrauten Runde. Auch wenn sie die Augen offen halten, für das Problem sehen sie keine Lösung.
Anders ist es, wenn einer von ihnen einen Schwerbehindertenausweis braucht, eine Pflegestufe beantragen möchte, einen barrierefreien Urlaub plant oder sein Auto behindertengerecht umbauen möchte. Dann hat einer immer einen Tipp, an wen man sich wenden kann oder wo man einen Zuschuss bekommt.

Gedächtnistraining und Rollstuhlsport

Und wenn mal niemand weiterweiß, ist da noch die Kölner Ortsvereinigung der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG). Ansprechpartnerin dort ist die Sozialarbeiterin und Beraterin Marie-Luise Esser. Außer Rat geben gehören zu den Angeboten der DMSG ein regelmäßiges Gedächtnistraining und Rollstuhlsport. „Es ist gar nicht so einfach, mit einem Rollstuhl zurechtzukommen. Das muss man schon lernen. Da kommen auch Erkrankte hin, die den Rollstuhl bisher nur bei längeren Strecken brauchen“, erzählt sie. Darüber hinaus baut die Sozialarbeiterin neue Selbsthilfegruppen in der Stadt mit auf.

Bogenschießen trotz Rollstuhl

Eine Selbsthilfegruppe war lange auch keine Option für Monika Eßer. Als dann vor zwei Jahren mit Hilfe der DMSG das Sülzer Treffen zustande kam, war sie dabei. Ein großer Gewinn war, dass sie hier Christiane Saenger kennengelernt hat. Denn diese hat für sie eine Vorbildfunktion. „Christiane ist sehr aktiv. Von ihr habe ich gelernt, dass trotz Rollstuhl vieles möglich ist, was ich früher nicht gemacht habe“, erzählt Monika Eßer. Zum Beispiel Konzerte in der Philharmonie besuchen, beim Rollstuhl-Tanz oder sogar Bogenschießen mitmachen. Nicht allen sieht man die Erkrankung an. So wirkt Birgit Scholl absolut gesund. Wenn sie aber wieder plötzlich einen Schub bekommt, kann die 47-Jährige kaum schlucken und ihr linker Arm ist taub – wie vor einigen Monaten. Sie kann zu Hause zwar absolut auf ihren Mann zählen, aber das Verständnis in der Gruppe ist noch mal ein anderes.„Man kann hier auch ganz prima einfach nur mal jammern“, sprudelt es aus Birgit Scholl heraus und die anderen lachen. „Jeder versteht halt sofort, wie man sich dann fühlt.“ Die dunkelhaarige Frau tut viel, um neue Schübe zu vermeiden – soweit das überhaupt möglich ist. Ihre Woche ist „durchgetaktet“ mit Terminen bei Ärzten, beim Heilpraktiker und bei der Physiotherapie. „Mein Mann sagt immer: ‚Dein Job ist es, dich so gut es geht gesund zu halten.‘ Und das versuche ich. Aber was in zehn Jahren ist, weiß ich natürlich nicht.“

In Deutschland leben schätzungsweise 140.000 bis 200.000 Menschen mit MS. 70 Prozent der Patienten sind Frauen, 30 Prozent Männer.
In Köln und Umgebung gibt es zurzeit 22 Multiple-Sklerose-Selbsthilfegruppen.

Weitere Infos bei:
Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft – Ortsvereinigung Köln und Umgebung e.V.
Tel. 02 21 / 6 90 99 54
(Di, Mi und Do 9–11 Uhr und Do 16–18 Uhr)
info@dmsg-koeln.de

Tags: Beratung , Selbsthilfe

Kategorien: Gesund leben